Tove Jansson Das Sommerbuch

Das Sommerbuch von Tove Jansson

Ein Jahrzehnte altes Buch, muss man das anpreisen? Nein, natürlich nicht anpreisen. Empfehlen ist das richtige Wort. Und ja, auch ein Buch mit Jahrzehnten auf dem Buckel kann etwas Tolles sein. In der Autobranche wäre das Sommerbuch von Tove Jansson ein so genannter Youngtimer, also ein noch nicht ganz so alter Oldtimer. Im Buchgewerbe gibt es die Unterteilung Klassiker und Moderne Klassiker. Klassiker meint Goethe, Schiller und Co., moderne Klassiker Kafka oder Böll. Auch Tove Jansson lässt sich inzwischen als moderne Klassikerin sehen.

Tove Jansson Das SommerbuchDie Finnland-Schwedin Tove Jansson erblickte 1914 in Helsinki das Licht der Welt. Beide Elternteile hatten das Künstlerische im Blut. Der Vater war ein Bildhauer, die Mutter eine Graphikerin. Es wundert mich nicht, dass Tove Malerei studierte – in Stockholm, Helsinki und Paris. Zunächst verdiente sie ihr Geld mit Postkarten, Buchumschlägen und Karikaturen. Bald entwickelte sie Trollfiguren, die zu ihrem Markenzeichen wurden. Diese „Mumins“ wurden ab den 1940er Jahren weltberühmt, weil sie in über 40 Ländern etwa 120 Zeitungen als Comicstrip abdruckten. Erst als ihre Mutter gestorben war, stellte sie die Mumin-Produktion ein und schrieb nun Bücher für Erwachsene – insgesamt zwölf bis zu ihrem Tod 2001. Meist schrieb sie Kurzgeschichten, die sich um das Alter, über Probleme von Kreativen oder zwischenmenschliche Schwierigkeiten drehten.

Schon Tove Janssons Eltern lebten ungewöhnlich zwischen Bürgerlichkeit und Bohème. Tove. Die Tochter wagte noch mehr und lebte von 1964 bis 1992 mit Tuulikki Pietilä, einer Graphikerin, als Lebensgefährtin zusammen.

Das Sommerbuch ist eines ihrer Bücher für Erwachsene. Die nicht chronologisch geordneten Geschichten drehen sich um eine Großmutter und ihre sechsjährige Enkelin, die auf einer finnischen Sommerinsel glückliche Tage verbringen. Möglicherweise spiegeln sich darin Erfahrungen der vielfach ausgezeichneten Schriftstellerin, die sie selbst im Sommer auf einer kleinen Insel im Finnischen Meerbusen, wo sie sich jährlich erholte, sammelte.

Das poetische Buch beamte mich schon beim Lesen der ersten Zeilen in eine Welt von Humor und Weisheit, voller Abenteuer und Sonnenschein. Eine unausgesprochene Liebe durchwebt die Worte über Alter und Jugend. Bald legte ich selbst meinen Kopf zwischen Sträuchern auf das weiche Moos des Untergrunds und philosophierte mit den beiden, ob es im Himmel Ameisen gibt oder ob es ein Vergnügen ist in einem Zelt zu schlafen. Es gibt Geisterwälder, in denen ich mit Enkeltochter und Großmutter herumstiefelte und es gibt die Vergänglichkeit des von Frieden und Sehnsucht durchsonnten Seins. Freundliche warme Tage verlebte ich zwischen den Buchseiten des Sommerbuchs, das 1972, ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter, von Tove Jansson veröffentlicht wurde. Wer dieses Buch, und deshalb empfehle ich es, liest, darf sich privilegiert fühlen, weil er die Welt betreten kann, die diesem Buch als Inspiration gedient hat, eine Welt, die einen in den Sommer des Lebens trägt. Über weiche graue Steine, durch die Kühle einer Kiefernlichtung …

Die Insel des Sommerbuchs ist von so viel Meer umgeben, dass es der Leser ständig sieht oder zumindest spürt, egal ob er beobachtet, wie die Großmutter die Katze füttert oder ihren Blumengarten gewissenhaft gießt oder die Enkelin über Felsbrocken klettert, sich durch Gestrüpp kämpft, an einer winzigen Blumenwiese vorbeikommt oder wieder den Kiefernhain Richtung Haus durchstreift, in dem ein Ofen den heimeligen Mittelpunkt bildet. Und er sieht, wie die beiden unterschiedlich alten Frauen Rindenboote schnitzen, Treibholz und Knochen sammeln, Beeren sammeln, im Moortümpel Städte nachbauen oder auf der Terrasse sitzen und von Gott und der Welt reden. Das Sommerhaus heißt gegen die Sonne blinzeln. Und das ist eine so wunderschön herzerwärmende Erfahrung, dass ich sie hier gerne weitergebe und für diesen Modernen Klassiker die Werbetrommel rühre.

Hier gibt es das Sommerhaus von Tove Jansson neu aufgelegt!